Bäckereien, die noch wirklich nach althergebrachtem, traditionellem Handwerk arbeiten, muss man heute immer häufiger suchen. Michael Bollbach im kleinen Örtchen Gresaubach bei Lebach ist einer davon. Und sein Handwerk kommt bei den Kunden bestens an.
Bericht erschienen in: FORUM – Das Wochenmagazin
Kürzlich saß ich anlässlich der sogenannten Hülsenfrüchtewochen mit einigen Köchen zusammen. Einen in der Runde kannte ich noch nicht, und er wurde mir als Michael Bollbach vorgestellt. Im Laufe des Abends erfuhr ich, dass die anwesenden Köche ihn und sein Handwerk sehr schätzen. Alle nannten ihn „Bolle, den Sauerteigbäcker“. Das machte mich natürlich neugierig und ich beschloss, ihn mal zu besuchen.
Keine Lust auf Hilfsmittelchen
Also fahre ich heute nach Gresaubach, einem kleinen Dorf bei Lebach. Ich klopfe, trete in die Backstube ein und bitte Michael Bollbach, mir etwas von sich und seiner Arbeit zu erzählen. „Mein Name ist Michael Bollbach, aber alle nennen mich ,Bolle, den Sauerteigbäcker‘“, erzählt er. „Ich bin 32 Jahre alt, Vater von zwei Kindern und mit der besten Frau, die es gibt, verheiratet.“ Er sei in der Bäckerei groß geworden, sein Vater habe in diesen Räumen seine Bäckerei betrieben. Aus wirtschaftlichen Gründen habe der Vater den Laden aber 2012 leider schließen müssen. „Ich habe hier im Haus das Handwerk gelernt“, erzählt er weiter und fügt einen bemerkenswerten Satz hinzu: „Würde ich aber nicht mehr machen, ganz ehrlich. Ich würde auch meine eigenen Kinder nicht ausbilden. Ich war nicht bei der Bundeswehr, doch die Ausbildung bei meinem Vater hat das kompensiert.“ Soll heißen: Es war keine leichte Ausbildung. Im Anschluss hatte er sich einige Betriebe angeschaut und ging 2014 nach Weinheim und besuchte die Akademie des Deutschen Bäckerhandwerkes. Dort erwarb er seinen Meisterbrief. Aber schon während seiner Meisterausbildung bemerkte er, dass auch im Bäckerhandwerk immer mehr mit Pülverchen und Zusätzen gearbeitet wird. Und das gefiel ihm gar nicht. „Da hatte ich keinen Bock drauf, ich wollte es richtig machen“, sagt er resolut.
Als er 2014 von der Meisterschule kam, stieß er in vielen Unternehmen auf Convenience-Produkte, Tiefkühllaugenbrezeln und Croissants. Heute scheinen diese bei den meisten Betrieben nicht mehr wegzudenken zu sein. Schnell fragte er sich, warum er überhaupt so viel Geld ausgegeben habe, um Meister zu werden. Warum er zuvor drei Jahre eine Ausbildung gemacht habe. Michael Bollbach fand einfach keinen Betrieb, in dem er die Philosophie ausleben konnte, die er selbst leben wollte. Er merkte schnell, dass sein Weg nur in die Selbstständigkeit würde führen können, denn er hatte wenig Lust, nur einen Sack aufzureißen, Wasser dazuzugeben und etwas Hefe reinzuwerfen. Er hasste es, dem Teig nicht die nötige Reifezeit zu geben und damit keine Bekömmlichkeit des Brotes zu erreichen. Immer nur schnell fertig. Mit vielen Zusätzen und den bekannten E-Nummern. Das war und ist nicht seine Welt.
Dann plötzlich kam er – wie er selbst sagt „wie die Jungfrau zum Kind“ – zu einer Dozentenstelle bei der Handwerkskammer in Saarbrücken. Freiberuflich. Und das führte dazu, dass er beschloss, die ehemalige Bäckerei seines Vaters wieder zu eröffnen. Zuerst dachte er: „Wir machen eine Wochenendbäckerei. Wir produzieren nur Samstagmorgen, backen ein geiles Brot und geile Brötchen. Lange Reifezeiten, ehrliche Produkte!“ Und schaut mich an: „Du kannst Dich ja umschauen hier, wir haben hier keine Pülverchen. Unsere Mischungen sind alle komplett selber hergestellt.“
Teig darf vereinzelt bis zu 48 Stunden lang reifen
Relativ schnell reichte der Samstag nicht mehr, denn die Samstagsbäckerei kam der Nachfrage der Kunden kaum mehr hinterher. Also öffnete die Bäckerei an einem zweiten Tag, dem Dienstag. Das Problem der großen Kundennachfrage war damit aber noch immer nicht gelöst. Es sprach sich schnell herum, dass es hier besonderes Brot gibt – und immer mehr Kunden kamen. Also entschied sich Bollbach Ende vorigen Jahres, nun von Dienstag bis Samstag zu öffnen.
Brot aus Sauerteig herzustellen ist viel Arbeit! Das ist nichts Neues, ich kaufe sehr oft Brot in Bäckereien, die mit Sauerteig arbeiten. Ja, die gibt es noch. „Bolle“ erzählt: „Wir brauchen täglich mehr als eine Stunde, um Vorteige und Sauerteige anzusetzen. Und um die Teige in die Kühlungen zu bringen. Es braucht handwerkliches Geschick und eine hohe Frustrationsgrenze, wenn man ohne Pülverchen arbeitet. Diese Pülverchen machen die Arbeit fraglos leichter, sie sind wie Stützräder, damit kann jeder backen. Doch erst wenn man die Stützräder abschraubt, wird es spannend! Da geht auch mal etwas schief. Das muss man dem Kunden auch kommunizieren, warum etwa das Brot an einem Tag so flach ist. Die Kunden haben dafür Verständnis und reagieren meistens wirklich cool.“
Entscheidend dabei ist die sogenannte Anstellgut-Menge, also der alte Sauerteig vom Vortag. Dieser ist die Basis für den neuen Sauerteig. Diese Anstellgut-Menge muss zur Reifezeit passen. Mit wenig muss der Bäcker lange reifen lassen, bei einer größeren Menge kürzer. Das kann je nachdem zehn bis zwölf Stunden dauern oder auch 18, 19 Stunden. Bei manchen Broten lässt er dem Teig sogar eine Reifezeit von 48 Stunden.
Michael Bollbach arbeitet dabei mit verschiedenen Mehlen. Das Roggen- und das Weizenmehl stammen von der Hasborner Mühle um die Ecke. Das Dinkelmehl bezieht er von der Schwäbischen Alb, weil er die Qualität, die er braucht, im Saarland leider nicht bekommt, wie er betont. „Normalerweise kaufen wir alles in der Region, wenn dies möglich ist. Natürlich gibt es auch saarländische Dinkelmehle, doch leider sind im Saarland die Böden für Dinkel nicht so beschaffen wie auf der Schwäbischen Alb. Dort gedeiht der Dinkel deutlich besser. Und ein hochqualitatives Brot backen kann ich nur mit den besten Zutaten!“
Das Angebot in der Bäckerei ist vielfältig, und natürlich gelten für alle Backwaren seine eigenen, hohen Qualitätsansprüche. Neben den unterschiedlichen Sauerteigbroten hat er auch Butter- und Schokocroissants im Sortiment, die sie auch nur mit Butter herstellen. Margarine sucht man hier vergeblich. Die Schokobrötchen werden mit echter Kuvertüre hergestellt und nicht mit irgendeiner billigen Fettglasur. Darauf legt „Bolle“ Wert. Sehr beliebt sind in der Bäckerei auch die Nussecken nach einem Rezept von Bolles Vater. „Opa Norberts Nussecken“ heißen diese. Wöchentlich gibt es eine Sorte Kuchen, denn „Bolle“ will sich nicht verzetteln. Nächste Woche gibt es einen anderen, je nach Jahreszeit.
Die meisten Backwaren von „Bolle, dem Sauerteigbäcker“ verkauft er im eigenen Geschäft in Gresaubach. Ich erfahre aber auch, dass er in Lebach einen Automaten mit seinen Broten betreibt. Zudem gibt es ein paar Geschäftspartner, die seine Backwaren beziehen, etwa das „Café Naschraum“ in Schmelz, „Botanico“ in Finkenrech und in Bubach der Hofladen von „Gemüsebau Brill“.

Bolle tüftelt am Toast, aber in lecker
Ich bin überzeugt davon, dass sich in Zukunft die Zahl solcher Verkaufsstellen erhöhen wird, denn es gibt zahlreiche Geschäfte, die sich um gute saarländische Produkte kümmern. Da ist doch sicherlich auch Bedarf an „Bolles“ Backwaren.
Während ich so durch die Räume streife, schaue mir alles genau an. An der Theke will ich ein Kastenbrot kaufen, das letzte, das heute noch da ist. Doch ein Mann neben mir sagt, darauf habe er sich gefreut. Somit ist natürlich schnell entschieden, wer das Kastenbrot bekommt! Bei meinem Rundgang komme ich mit Laura Gouverneur ins Gespräch. Und sie erzählt mir, warum sie ausgerechnet hier eine Ausbildung macht: „Ich habe bereits eine Ausbildung als Konditorin. Ich habe als Landesbeste abgeschlossen, war auf dem Bundesentscheid mit den Landesbesten aller Bundesländer und habe dort den sechsten Platz belegt. Ich habe mich entschlossen, zusätzlich noch Bäckerin zu lernen. Ich finde die Herangehensweise mit den hochwertigen Zutaten hier im Haus echt gut.“
„Bolle“ macht sich derweil Gedanken um Toastbrot. Das Brot, das in Deutschland am häufigsten gekauft wird. Er hat es nicht im Sortiment, will ein besonderes backen. Zusammen mit seiner Auszubildenden Laura Gouverneur hat er ein Rezept kreiert, das man Kindern mit gutem Gewissen geben kann. Mit 50 Prozent Vollkorn und ganz nach seinem Arbeitsprinzip: Wir backen keine Brötchen, wir rocken den Sauerteig!
Rolf Klöckner ist Ehrenmitglied des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Entscheidend für die Ernennung waren seine langjährigen und erfolgreichen Bemühungen, Kindern das Kochen als grundlegende Kulturtechnik zu vermitteln.
Bericht erschienen in: FORUM – Das Wochenmagazin