Weil er naturbelassene Lebensmittel produzieren will, hat Michael Bollbach das Sortiment und die Vermarktung ganz auf das Triebmittel Sauerteig ausgerichtet.
Mit einunddreißig Jahren war Michael Bollbach soweit: Er kündigte seine Stellung bei einer mittelständischen Großbäckerei, um sich selbständig zu machen. Denn die Arbeit bei dieser Bäckerei hatte ihm immer weniger zugesagt, und konkret nennt er – was man ja oft hört – nicht das Unternehmen an sich oder die Kollegen oder überhaupt den Beruf. Vielmehr störte ihn zunehmend, dass die Produkte, an deren Herstellung er mitwirkte, mit Vormischungen und Backhilfsstoffen hergestellt wurden. „Allerdings kam irgendwann der Punkt, an dem ich mich als Bäcker nicht mehr mit Fertigmischungen und TK-Teiglingen identifizieren konnte“, schreibt er auf seiner Website. „Ich wollte wieder echtes Brot mit Herzblut und Leidenschaft backen.“ Es war Zeit zu gehen. Als er gekündigt hatte, führte sein Weg allerdings nicht geradlinig dahin, wo er heute ist. Denn eigentlich hatte er nie vorgehabt, selbstständiger Bäcker zu sein. Er erinnert sich an seine Kindheit und Jugend: „Mein Vater hatte eine Bäckerei mit drei, vier Filialen. Er hat fast ständig gearbeitet und meine Mutter auch. Dadurch hatte ich sehr wenig von meinen Eltern. Ich hatte mir damals gesagt: Das möchtest du selber nicht erleben. Also strebte ich keine Unternehmerlaufbahn an.“
Angeeckt.
Dass Bollbach die Bäckerlaufbahn einschlug, hat natürlich mit der väterlichen Bäckerei zu tun, aber auch mit seinem Interesse für den Lebensmittelbereich. Doch Köche hatten, wie er feststellte, als es an die Berufswahl ging, noch unattraktivere Arbeitszeiten als Bäcker, und da ihm der Ausbildungsplatz bei seinem Vater sicher war, ging er bei diesem in die Lehre. Das allerdings möchte er heute niemandem raten. „Mein Vater stellte hohe Ansprüche an mich, und mit der Zeit war es so, dass zwei Platzhirsche am selben Ort waren, was nicht gut war.“ In dieser Zeit stellte sich heraus, dass beider Vorstellungen vom Bäckerhandwerk voneinander abwichen. Der Sohn sah aber schließlich ein, dass es die Bäckerei seines Vaters war, in der er arbeitete, und dass der Vater deshalb auch die letzte Entscheidung hatte. Also ging er, und seitdem hat sich das Verhältnis wieder gebessert. 2014 besuchte Michael Bollbach die Meisterschule in Weinheim und lernte in den folgenden Jahren verschiedene Bäckereien kennen. Rückblickend fällt ihm dabei ein Muster auf: „Ich bin immer angeeckt – aber das lag an mir“, wie er bekennt. „Es ging eigentlich immer um etwas grundsätzliches: Ich hatte meistens eine andere Idee vom Backen als der Chef.“
Unternehmerlaufbahn.
Dass Bollbach schließlich doch noch die Unternehmerlaufbahn einschlug, ist irgendwie verständlich: Vom Typ her ist er kein Angestellter, keiner, der in untergeordneter Stellung Anweisungen eines Chefs ausführt. Bollbach weiß das natürlich selbst, denn er hat die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Nachdem er die Meisterschule absolviert hatte, sah er die Zeit gekommen, sich beruflich weiterzuentwickeln. Die Bäckerei des Vaters war geschlossen, und Bollbach heuerte zunächst als Meister bei verschiedenen Bäckern an. Die tiefere Ursache für dieses Muster ist allerdings durchaus positiv zu bewerten. Er erzählt: „Mir fiel immer wieder auf, dass die Bäcker Convenience-Produkte einsetzten – das wollte ich nicht. Auch haben mir die Arbeitszeiten selten gefallen. In einer Bäckerei hätte ich das
Sortiment gestrafft und sonntags einfach dichtgemacht – es war zu viel Arbeit auf zu wenige Schultern verteilt. Das zerrt an den Nerven. Und dann bin ich auch nicht immer so diplomatisch, wie ich sein sollte … “ Eine Anstellung, das war also nichts für ihn. Folgerichtig richtete sich sein Blick auf neue Ziele. Nun wurde er Dozent bei der Handwerkskammer – eine gute Basis, um die Gründung eines eigenen Unternehmens in Angriff zu nehmen. Vom väterlichen Unternehmen waren noch die Produktionsräume und ein paar Maschinen vorhanden; er konnte beides nutzen und würde daher kein großes wirtschaftliches Risiko eingehen. Sein Ziel war ohnehin bescheiden: gutes Brot backen, Spaß haben, alles selber machen – ein Kleingewerbe gründen also. Doch es kam anders: Schon nach wenigen Wochen war in Gresaubach bekanntgeworden, wie hoch die Qualität beim jungen Bollbach war. Die Nachfrage war so groß, dass er eine Verkäuferin einstellen musste.
Eine Revolution.
Bollbach rief eine Revolution aus. Okay, das ist natürlich ein wenig übertrieben, aber wenn es zum Marketingkonzept passt – warum nicht? „Kein Bock mehr auf Fertigmischungen, Tiefkühlteiglinge, E-Nummern und Chemie“, fasst er den Kern seines Konzepts auf der Website zusammen. Er wolle „zurück zu wertvollen Zutaten, ehrlichen Backwaren und echtem Bäckerhandwerk! Eben einfach geiles Brot.“ Denn darum ging es doch: um „echtes Brot“, gebacken „mit Herzblut und Leidenschaft“, das ausschließlich mit dem ältesten Triebmittel gelockert wird: Sauerteig. Sauerteig stellte Bollbach daher in den Mittelpunkt seines Konzepts und nannte sich folgerichtig „Bolle, der Sauerteigbäcker aus Gresaubach“. Dass Sauerteig das zentrale Mittel ist, um Brot zu backen, das seiner Idealvorstellung am ehesten entspricht, davon ist er immer noch überzeugt. Hefe kommt bei ihm also nur in sehr engen Grenzen zum Einsatz (von anderen Backmitteln gar nicht zu reden), zum Beispiel in Brötchen. Sauerteig jedenfalls sorgt nach Bollbachs Erfahrung für kräftigen Geschmack, der auch in süßen Teilchen seinen Platz hat. Er sei außerdem bekömmlich, weil sauerteiggetriebene Gebäcke eine lange Teigführung erforderten. Und schließlich sei die lange Frischhaltung und Haltbarkeit, die das Naturprodukt Sauerteig bewirke, von Vorteil. Dies alles, und außerdem handwerklich produziert, macht für ihn die „geilen Backwaren“ aus, die seine kleine Backstube verlassen. Dass er dafür Vorbilder hat, versteht sich: Von den Konzepten von Max Kugel (Bonn) und den Brotpuristen (Speyer) hat er sich inspirieren lassen, ohne sie abzukupfern. Der Erfolg seines Konzepts zeigt sich nach Bollbachs Angaben sogar an den Brötchen. Sie haben nicht das Volumen und die Luftigkeit, die man von der durchschnittlichen Bäckertheke kennt; seine Kunden allerdings, erzählt er, mögen sie trotzdem. Er verkaufe täglich rund tausend Stück davon.
Das Sortiment.
Was treibt die Gresaubacher zum Sauerteigbäcker Bollbach? Ganz offensichtlich hat er mit seinem Angebot den Bedarf getroffen. Als er im Juni 2023 seine Bäckerei in Betrieb nahm, hatte er nur samstags geöffnet. Doch wegen der großen Nachfrage machte er bald auch den Dienstag zum zweiten Verkaufstag. Zwölf Artikel hat er im Sortiment – was absolut ausreichend ist, wie er meint. Es handelt sich um drei Brote, die standardmäßig angeboten werden, zwei Sorten Baguette und zwei Brötchensorten. Dazu kommen Kuchen und Zöpfe in einem rollierenden System. Beim Brot hat sich Bollbach für einfache und etwas schwieriger herzustellende Sorten entschieden. Kompliziert ist das „Wendalinus“, das benannt ist nach der Wendalinusstraße in Gresaubach, die wiederum nach dem Heiligen Wendelin benannt wurde. Es baut auf einem Kochstück und einem Poolish auf, enthält einen Anteil Ruchmehl und geht insgesamt 36 Stunden. Unaufgeregt kommt hingegen das „Sauerteigbrot“ daher, das Altbrot enthält, fünf Stunden Stückgare genießt und freigeschoben kräftig ausgebacken wird. „Die Schönheit des Sauerteigbrots liegt in seiner Einfachheit ohne irgendwelchen Schnickschnack“, bewirbt es Bollbach. In der Kundengunst steht es auf dem zweiten Platz. Selbstverständlich darf auch ein Dinkelbrot nicht fehlen: Der „Dinkelfrank“ ist eine Reverenz an Bollbachs Mentor und Lehrmeister Frank Silwanus, der mit seiner Backstube ein ähnliches Konzept verfolgt. Auch hier ist keine Hefe zugesetzt, die Garzeit beträgt 36 Stunden. Baguettes gibt es in der Weizen- und in der Dinkelvariante, beim Kleingebäck sind klassische Brötchen erhältlich, einige mit Kürbiskernen und andere mit Schokostücken angereichert. Auch hier gilt: „Ich verwende keine Backmittel, nur Sauerteig und ein bisschen Hefe. Dafür haben sie am Ende zwar kein großes Volumen, aber das ist auch gut so.“ Bollbach bittet seine Kunden um Vorbestellung, gerne über sein Whatsapp-Profil, wo er einen Shop eingerichtet hat. „Ich will nur das produzieren, was benötigt wird, damit am Ende des Tages keine wertvollen Lebensmittel im Müll landen“, erläutert er. Natürlich sind im Laden die Produkte auch im freien Verkauf erhältlich.
Revolution — läuft.
Michael Bollbach ist jetzt zweiunddreißig Jahre alt, hat also noch das meiste vor sich. Über die Zukunftsperspektive seiner Bäckerei äußert er sich verhalten optimistisch. „Ich kann nicht sehr weit in die Zukunft denken“, sagt er. Sein Vorteil war, dass er in den Räumlichkeiten und mit dem alten Gerät seines Vaters arbeiten kann; das ersparte ihm Investitionen von mindestens 25.000 Euro. So hat er sein Ein- und sein Auskommen. „Von dem Ertrag werde ich mir sicherlich keinen Mercedes kaufen – gut, dass ich noch als Dozent bei der Handwerkskammer arbeite. Das trägt zum Einkommen bei.“ Dennoch ist er sich sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Denn was für ihn mindestens genauso viel zählt wie ein hohes Einkommen, ist die innere Zufriedenheit, das Gefühl, das Richtige zu tun. Das Richtige – das ist nachhaltiges Wirtschaften und Wertschätzung der eigenen Arbeit durch den Zuspruch der Kunden. Man müsse neue Wege im Bäckerhandwerk gehen, ist er überzeugt. Und der Weg, auf dem er sich befindet, fühlt sich gut an. Er blickt an dieser Stelle wieder nach Speyer zu den Brotpuristen, die es seiner Ansicht nach vorgemacht haben. Für sein Geschäft denkt er außerdem darüber nach, Backkurse abzuhalten. Und mit der Vermarktung seiner Produkte in der Region hat er ohnehin noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Es ist ganz klar: Die Revolution ist angelaufen, sie geht weiter – auch in kleinen Schritten.

Artikel erschienen in: Back Journal 10/2024